Die technische Seite der FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien.

Anlässlich der FIFA WM 2014 in Brasilien werden wir über zwei Themen berichten, die „made in Germany“ sind und den Vorteil haben, bis zum Finale aktuell zu bleiben.

Interessant dabei ist, dass kaum ein Fußball-Fan weiß, dass Public  Viewing in Dortmund erfunden wurde und dass die Anlagen der Torlinientechnik aus Würselen bei Aachen kommen. Mit beiden Erfindern werden wir sprechen und Ihnen interessante Informationen liefern, die weit über die Grenzen des Sports hinaus ihre Auswirkung haben, denn Public Viewing ist auch Socializing und die Torlinientechnik löst endlich die Schiedsrichterfehler, die ein Fußballspiel völlig aus dem Ruder lassen können.  Bleiben Sie bei uns bis zum Finale!

Interview mit Rolf Dittrich, Medien-Beauftragter, GoalControl

Wann hat sich die FIFA für Ihr System entschieden?

Der Weltfußballverband FIFA hat am 10. Oktober in Rio de Janeiro die Beauftragung der GoalControl GmbH, Würselen, mit der Ausstattung der Torlinientechnik zur FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2014 Brasilien™ bekannt gegeben. Das Unternehmen wird sein System „GoalControl-4D“, basierend auf 14 Hochgeschwindigkeitskameras in allen 12 Austragungsorten in Brasilien zum bedeutendsten und weltgrößten Fußball-Turnier (12. Juni – 13. Juli 2014) installieren und für einen reibungslosen Betrieb sorgen.

Müssen Sie sich vor jeder Weltmeisterschaft wieder bewerben oder sind Sie bereits sicher, dass Sie 2018 in Russland dabei sein werden?

Die aktuelle Beauftragung umfasst die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2014 Brasilien™.

Wie ist es zum Durchbruch gekommen, denn es ist ja bekannt, dass die zwei wichtigsten Entscheidungsträger des Weltfußballs, Michel Platini der UEFA sich vehement gegen die Einführung Torlinientechnik gewehrt hatte und Joseph Blatter der FIFA dafür war?

Die beiden Tore in den Spielen zwischen England und Deutschland von 1966 und 2010 sind zweifellos die bekanntesten Beispiele von Torszenen, die für besonders viel Gesprächsstoff gesorgt haben. In der jüngeren Vergangenheit gab es jedoch auch andere strittige Fälle, bei denen es nicht darum ging, ob der Ball von der Querlatte auf oder eben hinter die Torlinie sprang. Die folgenden Videos zeigen eine Auswahl von solchen Torszenen aus den letzten paar Jahren. 

Dennoch mag das „Lampard-Tor“ von 2010 der entscheidende Impuls für die Öffnung des IFAB pro technischer Hilfsmittel gewesen sein. Am 5. Juli 2012 beschloss der International Football Association Board (IFAB) einstimmig nach einer neunmonatigen Testphase, die unter der Leitung der EMPA (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt) im August 2011 begann, die Systeme der an der Testphase 2 beteiligten Unternehmen grundsätzlich zuzulassen. Die Zulassung erfolgte unter Vorbehalt eines abschließenden Installationstests gemäß FIFA-Qualitätsprogramm für TLT in jedem Stadion, bevor die Systeme in "echten" Fußballspielen eingesetzt werden können. Der IFAB hielt fest, dass die Technologie einzig für die Torlinie und damit für keine anderen Spielbereiche eingesetzt wird.

 

Es gibt bekanntlich zwei Systeme der Torlinientechnik: Die Kameras und den Chip im Ball. Bieten Sie beides an oder nur die Kameras wie bei der WM in Brasilien?

GoalControl ist Spezialist für bildliche Echtzeit Analyse. Das Team von GoalControl hat viele Jahre Erfahrungen in der Entwicklung und Installation von kamerabasierten Systemen. Diese Systeme erfassen, identifizieren und verfolgen Objekte in komplexen Umgebungen, z. B. einen Fußball in 3D auf einem Fußballfeld. Mit GoalControl-4D haben wir ein System entwickelt, das alle FIFA-Kriterien für GLT (goal line technology/Torlinientechnik) erfüllt. Das System basiert auf 14 Kameras, die um das Spielfeld herum angeordnet und auf beide Tore ausgerichtet sind. Die Position des Balles wird kontinuierlich und automatisch in 3 Dimensionen erfasst, sobald der Ball in Nähe der Torlinie ist. Wenn der Ball die Torlinie komplett überquert hat, sendet die zentrale Auswertungseinheit in weniger als einer Sekunde ein verschlüsseltes Signal (Vibration und Signalton) an die Empfängeruhr des Schiedsrichters. GoalControl-4D hilft dabei dem Schiedsrichter klare Entscheidungen zu treffen: Tor oder nicht Tor.

Wie haben Sie die Fehlentscheidungen während der WM in Südafrika erlebt. War Ihr System damals bereits einsatzbereit?

Zu diesem Zeitpunkt befand sich GoalControl noch in der Entwicklungsphase. 

Die GoalControl GmbH, Würselen, hat für ihr Torliniensystem „GoalControl-4D" die FIFA Lizenz erhalten.

Nachdem die in der Düsseldorfer Esprit-Arena und in der Veltins-Arena, Gelsenkirchen, im Februar 2013 durchgeführten Testreihen erfolgreich absolviert wurden, unterschrieben GoalControl GmbH und die FIFA jetzt den Lizenzvertrag. „Wir freuen uns über diesen historischen Erfolg und darüber, den Fußballsport ein Stück weit gerechter gestalten zu können", so GoalControl Geschäftsführer und Gesellschafter Dirk Broichhausen.

Das lizensierte Torliniensystem GoalControl-4D darf ab sofort weltweit bei offiziellen Spielen, Fußball-Ligen und Turnierwettbewerben eingesetzt werden. GoalControl nimmt zudem an der Ausschreibung zur Ausrüstung des FIFA Confederations Cup 2013 und der 2014 FIFA World Cup Brazil mit Torliniensystemen teil.

     

Dirk Broichhausen und Dr. Jürgen Philipps, Geschäftshührer von GoalControl

Alles begann im April 2009 vorm heimischen Fernseher. Dirk Broichhausen sah die Live-Übertragung des damaligen Zweitligaspiels 1860 München – 1. FC Kaiserslautern; mit einer Szene Marke „Wembley-Tor“ kurz vor Abpfiff. Niemand vermochte so richtig zu beurteilen ob in jener Situation – der Ball sprang von der Latte wohl hinter die Linie und dann wieder in Feld – wirklich ein Treffer vorlag; am wenigsten der Schiedsrichter. Statt 2:1 für die Löwen endete das Duell unentschieden. Für Broichhausen eine sportliche Ungerechtigkeit und am nächsten Tag befragte er in seiner Firma Pixargus, spezialisiert auf die automatisierte Qualitätskontrolle in der industriellen Produktion, den Chef-Ingenieur: „Können wir mit unseren Kamera-Systemen auch einen Ball detektieren?“ „Was für einen Ball?“, lautete die Gegenfrage. „Einen Fußball“, umschrieb Broichhausen kurz und knapp die Herausforderung - das Projekt begann.

Y a-t-il but seulement après que la balle a totalement dépassé la ligne de but ou suffit-il que la moitié de la balle dépasse la ligne ?

Tel que les règles internationales du football le prévoient : si la balle dépasse entièrement la ligne de but, la station de contrôle centrale envoie en moins d’une seconde un signal codé  sous forme de signal optique et sonore à la montre de réception de l’arbitre.

Gibt es ein Tor, erst wenn der Ball ganz über der Linie steht oder reicht es, wenn die Hälfte des Balls die Linie überquert?

Wie es die internationalen Fußballregeln vorsehen: Wenn der Ball die Torlinie komplett überquert hat, sendet die zentrale Auswertungseinheit in weniger als einer Sekunde ein verschlüsseltes optisches und akustisches Signal an die Empfängeruhr des Schiedsrichters!

Kann man die Torlinientechnik mit der Abseitstechnik vergleichen?

Es existiert keine „Abseitstechnik“ – eine elektronische Überwachung der Abseitsregel ist derzeit auch nicht regelkonform.

Wann ist Ihr System zum ersten während eines offiziellen Fußballspiels zum Einsatz gekommen?

Während der Spiel beim FIFA Confederations-Cup 2013 in Brasilien.

Mit welchen Kosten muss man bei der Installation Ihrer Anlage rechnen und kommt eine Wartung bzw. Up Date in Frage?

Es gibt keinen Pauschalpreis, da die Kosten von zahlreichen Faktoren – wie zum Beispiel die Anzahl der Stadien, die Dauer des Vertrages, wie aufwendig ist die Installation. Man muss aber davon ausgehen, dass es sich um einen sechsstelligen Betrag pro Stadion handelt. Rund 200.000 € …

Weitere Leistungen des Systems:  Kann Ihr System auch den Torschützen nach einem Gerangel im Strafraum ermitteln?

Auf Basis eines kamerabasierten Systems lassen sich zahlreiche weitere Funktionalitäten für die Analyse erweitern und entwickeln. Derzeit ist das System GoalControl-4D aber auf die eigentliche Aufgabe der Torlinientechnologie ausgerichtet. 

Wie können Sie die Verwirrung ausräumen, weil bei diesem Spiel die Anzeigetafel zuerst „No  Goal“ zeigte, als der Ball den Pfosten traf.

Die Torlinientechnolgie half Schiedsrichter Sandro Ricci im WM-Spiel zwischen Frankreich und Honduras am Sonntag und erbrachte den Beweis für den zweiten Treffer Frankreichs. Die zugehörige Animation verdeutlichte den Zuschauern den Treffer, denn die normalen TV-Bilder konnten nicht eindeutig klären, ob es sich um ein Tor handelte oder nicht.

Hier wird erläutert, wie die entsprechenden Animationen zu verstehen sind und warum bei diesem speziellen Fall zunächst die Animation "Kein Tor" gezeigt wurde und dann unmittelbar darauf diejenige, mit der das Tor bestätigt wurde. Grundsätzlich können Animationen gezeigt werden, wenn der Ball weniger als 30 Zentimeter von der Torlinie entfernt ist, und natürlich wenn der Ball die Linie überschreitet.

Die Animationen von Toren und anderen Szenen auf der Torlinie werden von der GoalControl GmbH, dem Anbieter der Torlinientechnologie, bereitgestellt und können dann vom jeweiligen Leiter des Produktionsteams genutzt werden. Beim zweiten Treffer Frankreichs sprang der Ball zunächst an den Innenpfosten und von dort wieder vom Tor weg, bevor er den Torwart traf und sich dann wieder in Richtung Tor und letztlich über die Torlinie hinweg bewegte. Die erste Animation zeigte, wie der Ball den Innenpfosten traf und dabei die Linie nicht überschritt. In der zweiten Animation unmittelbar im Anschluss daran wurde deutlich, dass der Ball nach dem Abprallen vom Torhüter die Torlinie vollständig überschritt. Das System hat also zwei aufeinander folgende Szenen korrekt aufgeklärt!

Siehe folgende Links zu der Torlinientechnik: link I, link II

Befürchten Sie nicht jetzt schon ein Zweiklassensystem zwischen den reichen Ländern, die sich Ihre Anlage leisten können und den Entwicklungsländern, eingeführt zu haben?

Die Frage erschließt sich nicht ganz. Schon lange werden im Weltfußball unterschiedliche Standards in der Regelüberwachung genutzt. Das hat nicht mit „reichen“ und „armen“ Ländern zu tun, sondern der Wichtigkeit und  Bedeutung der jeweiligen Wettbewerbe.

Außer Marokko, wo Ihre Anlage für die FIFA Klub-Weltmeisterschaft im Dezember 2013 installiert wurde, haben Sie weitere Kontakte in den afrikanischen Ländern?

Zahlreiche internationale Verbände und Ligen haben in den letzten Monaten den Kontakt zu uns gesucht. Auch aus dem Gebiet des Confederation of African Football (CAF).

Das Interview führte Ibrahim Guèye

 

Das Interview mit GoalControl hat dazu geführt, dass wir an weitere strittige Fälle gedacht haben, die von Kameras gelöst werden könnten: Werden die Kameras demnächst die Probleme des Abseits lösen können? Wie sieht es mit dem Einwurf aus, wenn zwei Spieler den Ball reklamieren und die Schiedsrichter zögern? Kommen wir zur Perfektion mit Hilfe der Kameras? Die Fußball-WM 2018 wird auf jeden Fall spannend, was die technische Entwicklung angeht.

 

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