2. Teil des Interviews mit Dr. Reinhold Festge.

Am Tag „Africa meets Business“ in Berlin am 17. März 2015 haben wir mit Dr. Reinhold Festge, persönlich haftender Gesellschafter von Haver & Boecker und Präsident des Verbands Deutscher Maschinen und Anlagenbau (VDMA), gesprochen.

Dr Festge VDMA

Der VDMA unterstützt das deutsche Afrika-Geschäft. Was können Sie tun, damit Hermes das Engagement der deutschen Mittelständler in Afrika unterstützt.

Dr. Festge: Wir vom VDMA wissen, dass Mittelständler sich in Afrika engagieren wollen. Es gibt viele Unternehmen, die schon in Afrika sind, und viele Unternehmen haben Interesse daran, nach  Afrika zu gehen. Das Problem ist: zwar will die Wirtschaft, aber die Politik sagt, viele afrikanischen Länder haben ein schlechtes Rating. Deswegen werden wir nicht finanzieren, weil wir fürchten, dass das Geld dann weg ist. Inzwischen haben wir gegenüber der Politik viel Überzeugungsarbeit geleistet. Wir haben der Politik gesagt, wir müssen Afrika als Kontinent mehr Aufmerksamkeit schenken. Daraufhin wurde in Berlin vor sechs Wochen beschlossen, dass Hermes wieder Geschäfte mit Afrika deckt. Aber soweit wir informiert sind, bezieht sich die Deckung oft nur auf Projekte, die staatlich organisiert sind. Hermes sagt, Sie können eine Sicherung bekommen, wenn die Regierung des Landes den Auftrag erteilt. 

Also nicht die Privatwirtschaft, sondern die Regierungen?

Dr. Festge: Ja, und das ist eigentlich genau das, was wir nicht wollten. Denn wir wissen, dass die Regierungen oft sehr problematisch sind. Also unsere Bitte an die Politik ist nach wie vor, mehr Person to Person oder Business to Business-Geschäfte zu ermöglichen. Zwar gibt es keinen echten Konflikt zwischen Wirtschaft und Bundesregierung, aber für die Wirtschaft geht es wie immer nicht schnell genug.

Aber es gibt afrikanische Staaten, die relativ solide sind. 

Dr. Festge: Das wird ja auch individuell von der Bundesregierung und vom Hermes-Ausschuss geprüft. Es gibt durchaus unterschiedliche Ratings sowie es unterschiedliche Staaten gibt. Und wir haben sehr unterschiedliche Erfahrungen mit den einzelnen Staaten gemacht. Ich selbst blicke auf sehr positive Erfahrungen zurück. Wir  machen in Nigeria seit 15 Jahren Geschäfte und haben nie eine Sicherung in Anspruch genommen. Bei Haver & Boecker setzen wir auf Vertrauen, und dieses Vertrauen ist bisher immer erfüllt und gerechtfertigt gewesen. Wir haben Kunden, mit denen wir sehr vertrauensvoll und freundschaftlich zusammenarbeiten.

Und Maschinen von Haver & Boecker jetzt auch im Senegal?

Dr. Festge: Ja, wir unterstützen jetzt das Projekt von Dangote im Senegal. Sein Zementwerk dort ist seit Dezember 2014 in Betrieb. Es ist ein sehr gutes Unternehmen. Es produziert 3.000 Tonnen täglich, das sind 1,5 Millionen Tonnen Jahresproduktion, und ist somit ein kleineres Zementwerk. 

Es gibt zwei weitere Zementwerke im Senegal.

Dr. Festge: Ja, man muss wissen, welche Produktion das Land insgesamt verträgt. Wir haben drei Packmaschinen, acht Stutzen und die manuelle Beladung dorthin geliefert. Das ist über Sinoma gelaufen und das Werk ist im Ort Pout.

Allerdings hat das Werk ein Problem mit den Umweltschützen und den Bauern.

Dr. Festge: Darüber bin ich nicht informiert.

Das Werk soll das Grundwasser für die Kühlung seiner Maschinen abpumpen. 

Dr. Festge: Das kann ich mir nicht vorstellen. Im Produktionsprozess vom Zement wird  normalerweise kein Wasser eingesetzt. Man braucht Wärme, also rund 450 Grad im Ofen. Aber man braucht kein Kühlwasser. 

Wie lange arbeiten Sie schon in Afrika? 

Dr. Festge: Haver & Boecker arbeitet in Afrika seit  60 Jahren. Wir verkaufen in Afrika und haben stets gute Erfahrung gemacht. Wir haben keine Probleme. 

Es gibt aber andere Arten der Finanzierung in Afrika, wie der MCA (Millenium Challenge Account) der USA. Viele afrikanische Länder haben die amerikanische Finanzierung für den Ausbau ihrer Strukturprojekte in Anspruch genommen. Im Senegal betrug die MCA 540 Millionen US-Dollar und kein einziges deutsches Unternehmen war dabei, sondern nur französische, spanische und portugiesische, obwohl es eine sichere Finanzierung war. Ist es ein Informationsdefizit? 

Dr. Festge: Das mag richtig sein. Wir haben in Deutschland ein Defizit in der Erkenntnis von Chancen in Afrika. Das ist ja unser Problem. Wir wissen, dass wir teilweise zu spät sind, teilweise der Tendenz hinterher laufen. Vielleicht sind wir auch ein bisschen zu ängstlich. Die Deutschen sind nicht mehr so mutig wie sie vor 30 oder 40 Jahren waren. 

Woran liegt es?

Dr. Festge: Uns geht es zu gut. 

Dann bleibt man in Deutschland oder was?

Dr.Festge: Die Märkte für die Deutschen laufen im Moment gut. Und man sagt, der afrikanische Markt  ist schwierig. Afrika, das sind mehr als 50 Länder, 1200 Sprachen mit großen kulturellen Unterschieden. Es geht mir ja selbst auch so. Wenn ich nach Afrika komme - und ich fliege ja oft nach Nigeria -, dann lerne ich jedes Mal dazu. 

Die Länder sind aber unterschiedlich.

Dr. Festge: Deswegen müssen wir uns besser kennenlernen. Es ist die Aufgabe des VDMA, dazu einen Beitrag zu leisten. 

Das ist auch unsere Aufgabe. Darum machen wir uns für mehr Engagement der deutschen Industrie im Senegal stark. Wir sind seit zwei Jahren mit Herrn Richard Clemens vom VDMA in Kontakt und wollen diese ersten Schritte mit Ihnen ausbauen.

Dr.Festge: Das werden wir tun. Daher ist der Fachverband für Verpackung- und Nahrungsmittelmaschinen mit Herrn Clemens der aktivste Fachverband des VDMA in Afrika. Wir sind in Kenia schon sehr weit gekommen und in Nigeria und Botswana dabei, stärker Fuß zu fassen. 

Richard Clemens

Richard Clemens: "Ein absoluter Trugschluss ist, dass man glaubt, Afrika braucht einfache Maschinen oder gebrauchte Technik."
 

Und was ist mit den über 50 anderen afrikanischen Ländern?

Dr. Festge: Wir wissen, dass wir Defizite haben. Das gilt vor allem für die frankophonen Länder Afrikas. Bei Haver & Boecker haben wir daraus die Konsequenz gezogen, die frankophonen Länder künftig durch unsere Tochtergesellschaft in Frankreich bearbeiten lassen. Die Mitarbeiter unserer französischen Tochterfirma fahren gerne nach Afrika und kennen sich dort aus. Wir bereiten im Moment eine Entscheidung vor, um den Markt Französisch-Afrika von Frankreich aus und den Markt Portugiesisch-Afrika von Brasilien aus zu bedienen. Der afrikanische Markt ist also ein dickes Brett. Das zu bohren, kann man nicht von heute auf morgen. Aber wir gehen die Aufgabe ernsthaft an. Der VDMA wird dafür werben. 

Brauchen wir in der Politik in Deutschland mehr „Pro Afrika“?

Dr. Festge: Wir brauchen in der Politik mehr „Pro Afrika“. Das ist ganz klar. Jedoch brauchen wir dafür Anlässe - entweder den Besuch eines Botschafters oder eines Staatspräsidenten. Damit will ich deutlich machen, wenn immer ich eine Chance sehe, Afrika nach vorne zu schieben, dann tun wir das. 

Wir zeigen gerne, was wir in Afrika machen, ähnlich wie am Beispiel Dangote. Wir haben mit ihm über das Thema Ausbildung in Afrika gesprochen in den VDMA-Nachrichten. Wir realisieren durchaus, dass alle afrikanischen Länder durch ihre Botschaften hier in Berlin bemüht sind, das Interesse Deutschlands zu wecken und die deutsche Industrie zu einem größeren Engagement einzuladen. Ich würde mir aber wünschen, dass diese Botschafter ein bisschen reiselustiger innerhalb Deutschlands werden. 

Denn wir möchten, dass sie verstehen, wie wir arbeiten. Das geht nur, wenn wir etwas konkret vorzeigen können in unseren Unternehmen. Wenn ein Botschafter bei mir im Unternehmen gewesen ist, dann weiß er, wer Haver & Boecker ist.

 Botschafter beim Chempark

Antoine H. Turpin, Botschafter Senegal a.D., besichtigte mit SenGermany am 8. August 2013 das Werk von Currenta in Dormagen.
 

Kommen wir zur Zusammenarbeit zwischen VDMA und SenGermany und der Veranstaltung „Africa meets Business“ (17. März 2015) in Berlin. Wir möchten auch, dass solche Veranstaltungen verlagert werden und nicht nur in Berlin stattfinden. 

Dr. Festge: Wir müssen von der deutschen Seite sehen, was Sinn macht. Wenn ich richtig informiert bin, gibt es im Senegal auch Bergbau. 

Vor allem Phosphat und Gold…

Dr. Festge: Wenn es um Bergbau geht, haben wir die beste Universität, die sich mit Bergbau beschäftigt, in Freiberg/Sachsen. Dort in Sachsen könnte man für die Unternehmer aus dem Senegal gerne ein Bergbau-Symposium organisieren. 

Bergbai in Freiberg

Bergbau in Romonta/Sachsen-Anhalt
 

Und Ihr letztes Wort? 

Dr. Festge: Wir sehen große Chancen in Afrika. Es gibt dort enorme Rohstoff- und Energiefunde, die es den Afrikanern erlauben, in Infrastruktur, in Wirtschaftswachstum zu investieren. Dieses Feld dürfen wir Deutschen nicht Konkurrenten aus China, den USA, Italien oder Frankreich überlassen. Daran arbeitet der VDMA und ich als deren Präsident ganz besonders.

Dr. Festge, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Ibrahim Guèye

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