Interview mit dem parlamentarischen Staatssekretär Norbert Barthle, BMZ (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit), Berlin
Wir haben seit Anfang dieser laufenden Legislaturperiode mit zwei parlamentarischen Staatssekretären des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) gesprochen: Herrn Thomas Silberhorn am 13. Januar 2016 und Frau Dr. Maria Flachsbarth am 15. August 2018. Doch die Afrikapolitik der Bundesregierung entwickelt so rasant, dass wir mit dem parlamentarischen Staatssekretär Norbert Barthle ein drittes Interview am 30. Juli 2019 über die Neuigkeiten der deutsch-afrikanischen Entwicklungszusammenarbeit geführt haben.
Herr Barthle, am 19. März 2019 sagte der Entwicklungsminister Dr. Gerd Müller auf der Veranstaltung „Africa meets Business“ in Berlin, dass von der Milliarde Euro, die für den Entwicklungsinvestitionsfonds vorgesehen war, der Finanzminister bis dato nur 100 Millionen zugesagt hätte und bat die anwesenden Bundestagsabgeordneten um ihre Unterstützung. Wie sieht es inzwischen mit der Finanzierung des Fonds aus?
PStS Barthle: Zunächst mal war dieser Hilferuf von Entwicklungsminister Dr. Müller erfolgreich. Wir haben in den Haushaltsverhandlungen für das Jahr 2019 erreicht, dass im parlamentarischen Verfahren 800 Millionen Euro zusätzlich genehmigt wurden. Also haben die Parlamentarier den Etat, den wir dem Finanzminister vorgelegt hatten, um 800 Millionen Euro erhöht. Insofern haben wir erstmals in der Geschichte dieses Hauses einen Etat, der auf über zehn Milliarden liegt. Genauer gesagt 10,2 Milliarden Euro.
Doch der Finanzminister scheint von den düsteren Wirtschaftsprognosen der nächsten Jahre beängstigt zu sein und tritt auf die Haushaltsbremse. Wie sieht es für das BMZ bis Ende dieser Legislaturperiode aus?
PStS Barthle: Für das kommende Jahr haben wir eine Finanzplanung von 10, 3 Milliarden Euro und wir sind jetzt wieder dabei, über das parlamentarische Verfahren eventuell nochmal eine leichte Erhöhung zu bekommen. Aber das entscheiden nicht wir, sondern die Parlamentarier. Was die Milliarde anbelangt, die die Kanzlerin für AfricaConnect, AfricaGrow und das Beratungsnetzwerk versprochen hat, ist der Betrag für drei Jahre vorgesehen. Zwischenzeitlich können wir sagen, dass der Minister am 4. Juni 2019 den offiziellen Start von AfricaConnect auf einer Veranstaltung hier in Berlin bekanntgegeben hat. Wir haben schon 80 konkrete Anfragen, die bei der DEG (Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft) nach entsprechender Unterstützung für diesen Fonds eingegangen sind. Und wir wollen noch in diesem Jahr bis November, den zweiten Teil, AfricaGrow starten.
Was ist AfricaConnect und AfricaGrow?
Sie nennen zwei Initiativen, die in der Öffentlichkeit kaum bekannt sind. Können Sie diese erläutern?
PStS Barthle: AfricaConnect wendet sich an deutsche bzw. europäische mittelständige Unternehmen, die in Afrika in einem Volumen zwischen 750.000,00 Euro und 4.000.000,00 Euro investieren möchten. AfricaGrow dagegen wendet sich an afrikanische kleine und mittlere Unternehmen (KMU) oder Start-ups und ist nichts anderes als ein Dachfonds. Wir versuchen also über den Fonds den Start-ups Wagniskapital zur Verfügung zu stellen, um in Afrika selbst KMUs zu unterstützen.
Zurück zu AfricaConnect. Was machen Sie für die Unternehmen, die einen Investitionsbedarf von ca. 250.000 Euro haben, also deutlich unter dem Mindestbedarf von 750.000 Euro liegen?
PStS Barthle: Dafür gibt es verschiedene Möglichkeiten. Einerseits haben wir im BMZ das DeveloPPP-Programm für öffentlich-private Partnerschaften. Daneben gibt es über das Wirtschaftsministerium weitere Möglichkeiten. Grundsätzlich ist es aber so, dass bei kleineren Investitionen die Begleitkosten so hoch sind, dass es sich für deutsche KMU nicht mehr rechnet. Wenn man beispielsweise als Mittelständler in Afrika investiert, braucht man einen Ansprechpartner vor Ort, damit das Geschäft gut anläuft und sich trägt. Deshalb haben wir zunächst für AfricaConnect diese 750.000 Euro als Schwelle eingefügt, da wir eingesehen haben, dass sich eine Investition beispielsweise für Banken unter fünf Millionen Euro nicht lohnt. Aus diesem Grunde versuchen wir, diese Lücke von unter fünf Millionen Euro zu schließen. Ich will jedoch nicht ausschließen, dass wenn das Programm gut anläuft und angenommen wird, diese Schwelle, wenn man sie so bezeichnen möchte, abermals nach unten angepasst werden kann. Es gibt jedoch eine natürliche Untergrenze, bei der eine entsprechende Infrastruktur und Personal vorhanden sein müssen, damit sich eine Investition lohnt. Deshalb haben wir für die ersten drei Jahre bei AfricaConnect diese Schwelle eingeführt.
Frau Silke Schael Vertriebsleiterin der Ziegra Eismaschinen GmbH
Wie können wir vermeiden, dass die deutschen KMUs, die Produkte wie die Eismaschinen der Firma Ziegra herstellen, die für Afrika besser als für Deutschland geeignet sind, komplett ausgeschlossen werden.
PStS Barthle: Unsere Erfahrung ist, dass wenn wir mit mittelständischen Unternehmen sprechen, wir immer folgendes zu hören bekommen: „Der Schritt nach Afrika, um Geschäftsbeziehungen aufzubauen, ist relativ schwierig.“ Sie kennen das Land nicht. Jedes einzelne Land ist anderes. Sie können die Verhältnisse vor Ort auf dem afrikanischen Markt gar nicht, und falls überhaupt, nur schwer einschätzen. Die Anbahnung von Geschäftsbeziehungen geht daher immer nur in kleinen Schritten voran und diese ersten Schritte sind die, die wir unterstützen wollen. Dafür braucht der Mittelständler Vorerfahrungen. Deswegen haben wir unser Programm AfricaConnect entwickelt.
Welche Rolle können die afrikanischen Ingenieure bei der Entwicklungszusammenarbeit spielen?
Bei der Anbahnung von Geschäftsbeziehungen mit Afrika können die 6.000 afrikanischen Ingenieure, die in Deutschland tätig sind, ihren Beitrag leisten. Warum wurden diese bei der Gestaltung von AfricaConnect nicht einbezogen? Dazu brauchen unsere Ingenieure keinen Dolmetscher und beziehen keine Wüstenzulage, wenn sie in Afrika eingesetzt werden. Das sind unglaubliche Summen, die eingespart werden könnten.
PStS Barthle: (Lachen) Da haben Sie sicherlich einen riesigen Vorteil und nicht nur, was die Sprachen anbelangt, sondern auch die Märkte und das Land betreffend. Aber vielleicht lässt sich ja über AfricaGrow etwas machen. Wenn Sie in Afrika ein Unternehmen gründen wollen, haben wir bei AfricaGrow diese Investitionsgrenzen nicht. Und gerade da geht es um Start- und Risikokapital.
Über AfricaGrow habe ich zum ersten Mal während Ihrer Rede anlässlich der 6. Veranstaltung „Business trifft Afrika“ bei der IHK Chemnitz am 19. Juni 2019 gehört. Was für eine Erfahrung hat das BMZ bis jetzt mit AfricaGrow gemacht?
PStS Barthle: Es ist nicht ganz so einfach einen solchen Fonds zu gründen. Wir mussten erstmal viele Kämpfe durchstehen, was den Standort anbelangt. Das wird voraussichtlich Mauritius sein. Und das war nicht ganz einfach, weil der deutsche Finanzminister gerne Deutschland als Standort gesehen hätte. Allerdings ist Deutschland nicht der geborene Standort für Risikokapitalfonds, wohingegen Mauritius schon ein Standort für einige afrikanische Fonds ist. Daran können wir andocken. Wir gehen davon aus, dass wir voraussichtlich bis November 2019 den Startschuss für AfricaGrow geben werden.
Wie groß ist der Fonds?
PStS Barthle: Er teilt sich wie folgt auf: 400 Millionen für AfricaConnect, 400 Millionen für AfricaGrow und 200 Millionen für das Netzwerk, das über das Wirtschaftsministerium federführend als Beratungsnetzwerk aufgebaut wird. Das ist die Aufteilung der Milliarde, die wir am Anfang besprochen haben.
PPC (Public Private and Civil society Parternership) als Ergänzung zu PPP (Public Private Partnership)
Angesicht der Tatsache, dass unsere afrikanischen Ingenieure in Deutschland tätig sind, hilft uns AfricaGrow leider nicht. Doch sind wir sicher, dass ein Fonds für Investitionsvorhaben von ca. 250.000 Euro bis 500.000 Euro mehr bewegen könnte als AfricaConnect. Unser Projekt lautet: PPC Partnership (Public Private Civil society Partnership). Das heißt ein Programm, das eine Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Hand, der Privatwirtschaft und den Diaspora-Organisationen von Ingenieuren, Wirtschaftswissenschaftlern Ärzten etc. generieren soll.
PStS Barthle: Ich schließe nicht aus, dass wir die Grenze nochmal verändern. Wir haben darüber viel diskutiert und die DEG hat eher die Sorge, ob ihr dafür zur Verfügung stehendes 400 Millionen Euro Budget dann auch genügend KMU anspricht, die in dem Bereich zwischen 750.000 Euro bis 4.000.000 Euro Investitionsbedarf haben. Die 80 Meldungen, die wir bis jetzt bekommen haben, sind noch lange nicht ausreichend, um den Fonds abzuschöpfen.
Was passiert, wenn der Fonds nicht abgeschöpft ist? Zahlen Sie dann den Rest an das Finanzministerium zurück?
PStS Barthle: Vermutlich ja! Der Finanzminister wird sich darüber freuen.
Luxemburg ist größer als Subsahara-Afrika!
Jetzt zu den Umsatzzahlen der deutschen Exporte nach Afrika südlich der Sahara. Herr Martin Kahlhöfer, Bereichsleiter Afrika/Nahost beim GTAI (German Trade & Invest), ein Ableger Ihres Ministeriums, hatte folgende Zahlen am 20. Juni 2018 auf der 5. Veranstaltung „Business trifft Afrika“ bei der IHK Chemnitz präsentiert: 4,9 Milliarden Dollar deutsche Exporte im Jahr 2016 nach Afrika südlich der Sahara ohne Südafrika. Also weniger Exportvolumen als von Deutschland nach Luxemburg. Jedoch 54,5 Milliarden Dollar von China in dieselbe Region. Darum bieten wir unseren Beitrag mit PPC Partnership an, um die deutsch-afrikanischen Wirtschaftsbeziehungen anzukurbeln.
PStS Barthle: Ich bin zunächst mal froh, dass die deutsche Kanzlerin diesen Milliarden-Brocken auf den Weg gebracht hat. Das war eine mutige Zusage, denn die Finanzierung stand überhaupt nicht fest. Wir haben es damit geschafft, diesen Entwicklungsinvestitionsfonds ins Leben rufen zu können. Das ist, so glaube ich, ein wichtiger Schritt, um Privatinvestitionen in Afrika attraktiver zu machen. Generell machen wir uns überall für mehr Transparenz innerhalb der Entwicklungszusammenarbeit auf der Welt stark, um vor allem auch auf multilateraler Ebene mehr Engagement für private Investitionen zu erreichen.
Welche Länder meinen Sie, wenn Sie von multilateraler Ebene sprechen?
PStS Barthle: Ein Beispiel: Ich war 2018 bei der Frühjahrstagung der Weltbank in Washington. Seinerzeit waren wir mit den Briten, den Niederländern und zwei bis drei anderen Ländern die Einzigen, die über private Investments und mehr Einbeziehung von Privatkapital in die Entwicklungszusammenarbeit gesprochen und uns dafür eingesetzt haben. Leider war diesbezüglich eher Skepsis bei den anderen Partnerländern vorhanden. Bei der diesjährigen Frühjahrstagung im April war jedoch der Tenor ein ganz anderer. Da war schon einhellig die Meinung vorherrschend: „Wir brauchen mehr private Investments in den Entwicklungs- und Schwellenländern, um überhaupt die Herausforderungen meistern zu können“. Die meisten Länder haben mittlerweile begriffen, dass die öffentlichen Mittel, die wir zur Verfügung haben, nicht ausreichen werden, um die Herausforderungen stemmen zu können. Also braucht man zwangsläufig mehr privates Kapital. Wir haben hier viel an Überzeugungsarbeit geleistet und erreicht, dass sich dieses Denken mittlerweile auf der multilateralen Ebene durchsetzt. Jeder privat investierte Euro beziehungsweise Dollar erzeugt einen Hebel und nur durch diese Hebelwirkung erreichen wir die Schaffung der Arbeitsplätze, die wir unbedingt benötigen.
Afrika braucht mehr Privatkapital und mehr Privatinvestitionen
Die Bundeskanzlerin Merkel hat in den letzten zwei Jahren viele afrikanische Länder bereist. Das gilt auch für Entwicklungsminister Dr. Müller. Haben sie diese Botschaft auch nach Afrika getragen?
PStS Barthle: Ich persönlich tue dies überall, wo ich hinkomme. In jedem Land, das ich bereise, erzähle ich den Leuten immer: „Ihr braucht mehr Privatkapital und mehr private Investitionen! Nur dann bekommen Sie die notwendige Zahl an Arbeitsplätzen.“ Das ist ein schwieriges Unterfangen, denn es gibt in der sogenannten EZ-Community (Entwicklungszusammenarbeit) und selbst in unserem eigenen Parlamentsausschuss einige Kollegen, die hier sehr zurückhaltend sind und die immer noch fälschlicherweise die Befürchtung haben, dass privat eingesetztes Kapital nur dazu dient, ein Land auszubeuten. Dies ist allerdings nicht der Fall!
Ich habe gesehen, dass in Ihrem Wahlkreis, Schwäbisch Gmünd, „Schmucktage“ veranstaltet werden.
PStS Barthle: Richtig!
Die Senegalesen sind in Sachen Gold-und Silberverarbeitung Weltmeister. Und das ist zumindest ein Bereich, in dem wir Entwicklungshilfe leisten können. Ich würde gerne einen senegalesischen Stand auf den nächsten „Schmucktagen“ sehen. Da können wir Deutschland gerne etwas beibringen.
PStS Barthle: Das können wir organisieren. In Deutschland gibt es zwei große Schmuckzentren: Pforzheim und Schwäbisch Gmünd. Wir sind kleiner als Pforzheim aber traditionell Gold- und Silberstadt. Wir haben noch viele Gold- und Silberschmiede bei uns ansässig und vor allem auch Ausbildungseinrichtungen für Gold- und Silberschmiede. Da sind wir stark aufgestellt. Insofern wäre es wirklich ein idealer Austausch. Noch besser wäre es, wenn wir Pforzheim einbeziehen könnten.
Genauso könnte eine Delegation aus Schwäbisch Gmünd bzw. Pforzheim den Senegal besuchen.
PStS Barthle: Ich kann Ihnen versichern, sobald ich damit zu meinem Oberbürgermeister Richard Arnold gehe, der ein sehr weltoffener Mensch ist, und ich ihm berichte, dass der Senegal daran Interesse hätte, mit uns einen Austausch im Bereich Gold- und Silberverarbeitung zu initiieren, werde ich mit Sicherheit nur offene Türen finden.
Als letzten Punkt möchten wir Sie sehr gerne auf den 4. Deutsch-Senegalesischen Wirtschaftsgipfel vom 15. November 2019 in Frankfurt am Main einladen und hoffen, dass Sie Zeit für einen Impulsvortrag haben werden.
Herr Barthle, herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ibrahim Guèye
Parlamentarischer Staatssekretär Norbert Barthle mit Ibrahim Guèye bei dem Interview