Interview mit Bruno Braun, Vorsitzender, Bund der Deutschen Architekten, Düsseldorf
Das Baraka-Flüchtlingsprojekt in Dakar: Weltweit einmalig!
In der Stadt Dakar leben Flüchtlinge aus den Nachbarländern Senegals in einem Slumgebiet namens Baraka. Jetzt soll aus diesem Slum ein neuer Stadtteil entstehen. Bruno Braun, Vorsitzender des BDA, Bund der Deutschen Architekten Düsseldorf, ist an diesem Projekt beteiligt. Anlässlich der Preisverleihung und der Ausstellung des Projektes haben wir mit ihm ein Interview geführt.
SenGermany: Herr Braun, es freut uns sehr, dass eine solche Ausstellung in Düsseldorf stattfindet. Doch im Senegal liest man nicht die Rheinische Post und dies ist der Grund, warum wir über das Baraka-Projekt und diese Ausstellung für die Leser im Senegal berichten wollen. Wie haben Sie aus der Sicht des Architekten den Wettbewerb über das Baraka-Projekt in der Fachhochschule Düsseldorf ausgelobt?
Bruno Braun: Es gibt eine kleine Vorgeschichte. Der Bund der Deutschen Architekten Düsseldorf hat sich vor ca. zwei Jahren mit dem Thema „Architektur für Flüchtlinge“ auseinandergesetzt. Wir waren der Meinung, dass man nicht nur Container aufstellen darf, sondern dass auch die Architektur eine Kultur braucht. Wir haben das Thema zunächst in Deutschland betrachtet. Wir haben ein Symposium veranstaltet. Wir haben verschiedene Architekten dazu eingeladen, um eben das Thema „Flüchtlingswohnen“ hier vor Ort zu fördern. Und wir haben im Moment ein Projekt, das wir in Düsseldorf verwirklichen: Ein Haus für Flüchtlinge und mit Flüchtlingen zu bauen.
Sengermany: Und was hat ein solches Projekt mit Bakara in Dakar gemeinsam?
Bruno Braun: Die Idee, uns im Senegal zu engagieren, kam durch eine Anfrage von Frau Ute-Henriette Ohoven, Generalkonsulin der Republik Senegal. Sie kam mit diesem Projekt und sagte; „Ich brauche Hilfe. Gibt es Architekten in Deutschland, die mir helfen können.“ Dann haben wir im BDA Düsseldorf sofort ja gesagt. Das ist spannend. Das ist ja hoch interessant, vor Ort etwas zu tun und zwar nicht erst, wenn die Flüchtlinge hier in Deutschland sind, sondern da wo sie jetzt zurzeit leben. Das war eine Motivation vom ersten Moment an. Dann kamen wir auf die Idee, die Studenten und die eingehenden Kollegen miteinzuspannen, ihnen zu ermöglichen, während eines Semesters, sich mit diesem Thema mit unserer Unterstützung und mit der Unterstützung der Professoren auseinanderzusetzen. So ist die Idee entstanden.
Generalkonsulin Ute-Henriette Ohoven anlässlich der Präsentation des Baraka-Projektes am 9. Februar 2016 im Stadtmuseum Düsseldorf
SenGermany: Nun gut. Ich vermute, Sie kennen den Senegal nicht wie Frau Ohoven. Was hat Sie denn motiviert, es für ein fremdes Land zu machen, das in Deutschland und in Düsseldorf gar nicht bekannt ist?
Bruno Braun: Ich wusste aber schon, was der Senegal für ein Land ist. Und ich habe mich über das Land informiert. Was mich begeistert hat, ist dass Frau Ohoven
immer wieder mit guten Nachrichten aus dem Senegal zurückgekommen ist und dort eine Unterstützung für ihre Idee aus Baraka ein neues Stadtviertel zu bauen, gefunden hat. Das hat mich irgendwie auch fasziniert. Das fand ich hervorragend. Diese Vorarbeit, die im Land selbst geleistet worden ist, hat mich motiviert, mitzuhelfen.
SenGermany: Wie lange haben Sie für die Vorbereitung des Wettbewerbs gebraucht?
Bruno Braun: Wir haben die Studenten über die Professoren angefragt: „ Wer macht mit? Wer könnte sich so etwas als Semesterarbeit vorstellen?“ Als Studienarbeit muss man im Semester eine bestimmt Arbeit abliefern. Und wir haben spontan über 100 Studenten gefunden, die gesagt haben, wir machen mit.
SenGermany: Nur in Düsseldorf?
Bruno Braun: Zunächst nur in Düsseldorf. Aber als Köln und Aachen erfahren haben, dass in Düsseldorf so ein Wettbewerb stattfindet, wollten Sie auch alle mitmachen, weil junge Leute sich für diese Art Projekte und für diesen Wettbewerb begeistern konnten. Es ging nicht nur, um einen Preis zu gewinnen sondern es ging darum, sich in eine neue Aufgabe hineinzudenken, zu ergründen Kulturen neu zu verstehen und Architektur entsprechend zu gestalten. Das hat die jungen Menschen so fasziniert, dass wir uns entscheiden mussten, ob wir es überall ausschreiben. Aber aufgrund der begrenzten Räumlichkeiten im Stadtmuseum, musste man die Arbeiten auf die Fachhochschule Düsseldorf beschränken.
SenGermany: Wie ging es weiter?
Bruno Braun: Wir haben Vorgaben gemacht, die wir mit Frau Ohoven und ihrem Team erarbeitet haben. Diese Fragen wurden im Senegal beantwortet, daraufhin wurde den Studenten die Zusammenfassung als Auslobungstext zur Verfügung gestellt. Es wurden Parameter wie z.B. wie groß eine Wohnung sein darf, festgelegt. Dann haben wir die Reise von zwei Studenten finanziert, die in den Senegal nach Baraka geflogen sind.
SenGermany: Wann hat diese Reise Stattgefunden?
Bruno Braun: Das war Anfang September 2015. Die beiden Studenten sollten zwei Tage bleiben, kamen aber erst nach zehn Tagen wieder, weil sie in Baraka so freundlich aufgenommen worden sind. Sie waren so begeistert und haben so viel an Vorgaben recherchiert, die für die Arbeit wichtig sind, haben selbst Geländeaufnahmen gemacht, bestehende Gebäude eingemessen, geschaut, wo die Bäume stehen, sind in der Umgebung gewesen und haben einen ganz tollen Film gedreht. Nach ihrer Rückkehr haben wir nochmal eine Informationsveranstaltung mit den gesammelten Daten gemacht. Frau Ohoven hatte zwischenzeitlich auch neue Informationen geliefert. Das Ganze haben wir den Studenten für ihre Arbeiten mitgegeben.
SenGermany: Wenn sie bereits über 100 Wettbewerber hatten, wie wurden die zwei Studenten ausgewählt, die für den Film in den Senegal gereist sind?
Bruno Braun: Die erste Voraussetzung war Französischkenntnisse und innerhalb von ein paar Tagen bereit zu sein, denn sie hatten nur eine Woche Zeit für die Vorbereitung. Danach haben sich die Professoren für zwei sehr engagierte Studenten entschieden.
SenGermany: Wer hat die Reise finanziert?
Bruno Braun: Der BDA Düsseldorf hat die Reise finanziert. Die Mitglieder zahlen ihre Monatsbeiträge in eine Kasse ein. Aus dieser Kasse wurde der ganze Wettbewerb finanziert.
SenGermany: Jetzt zu der Skalierbarkeit des Projektes. Professor Frederico Mayor, ehemaliger Generalsekretär der UNESCO, der Mitglied der Jury war, hat sich gewünscht, dass das Baraka-Projekt in andere Länder übertragen werden sollte, denn Flüchtlinge gibt es nicht nur im Senegal. Ist es für Sie eine neue Herausforderung?
Bruno Braun: Das ist grundsätzlich eine Herausforderung, weil wir immer meinen, dass natürlich Architektur und Städtebau den entsprechenden Ländern und Umgebungen angepasst sein müssen. Wir können nicht etwas darüberstülpen sondern wir müssen etwas, was aus der Struktur herauswäscht, gestalten und neu planen. Aber es gibt ein paar Parameter, die man wiederholen kann. Es war von Anfang an klar, dass Baraka ein Pilotprojekt für andere Länder sein soll. Auch von der Initiative her, dass die Regierung im Senegal eben sagt: „nein Flüchtlinge nicht an den Rand der Stadt drängen sondern da, wo sie jetzt schon leben, ein neues Stadtviertel bauen.“ Das gilt als weltweites Beispiel. Das finde ich hervorragend.
Bruno Braun mit Senegals Staatspräsidenten Macky Sall in Dakar
SenGermany: In Baraka sollen die Leute auch arbeiten können und Geschäfte sind vorgesehen. Außerdem sollen sie ausgebildet werden. War das von Anfang an für das Projekt angedacht?
Bruno Braun: Es ging zunächst darum, ein Beispiel für die ganze Welt zu geben. Zweites die Bewohner sollten aktiviert werden, an dem Projekt teilzunehmen. Parallel dazu sollen sie in Berufe ausgebildet werden, die man dann in diesem Viertel ausüben kann. Das war von Anfang an die Idee. Das ist den Studenten im Wettbewerb auch so mitgeteilt worden und ich persönlich fand das begeisterungswürdig. Mich hat fasziniert, dass es nicht nur um Städtebau und Architektur geht sondern um Integration von Flüchtlingen, die teilweise in der dritten Generation im Senegal leben.
SenGermany: Jetzt sollen die Flüchtlinge an dem Projekt arbeiten. Unter den 1.800 Einwohnern von Baraka haben sie bestimmt genug Männer, die anpacken werden?
Bruno Braun: Ich stelle mir die Vision so vor, dass wir also nicht erst dann mit den Bewohnern in Kontakt kommen, wenn es Arbeit gibt, sondern vorher schon. Ich würde ganz gerne mit den Bewohnern darüber sprechen, wie soll eurer zukünftige Stadtteil und eure einzelne Wohnung aussehen. Was haben wir gut oder nicht gut gemacht. Das sehe ich erst einmal als erste Zusammenarbeit. Natürlich ist dann daran gedacht, wenn es zum Bau kommt, dass entsprechende handwerkliche Fähigkeiten ausgesucht werden. Dazu brauchen wir auch die Unterstützung der Bevölkerung. Sie müssen sich melden. Sie müssen sich registrieren und dann sollen Männer und Frauen in die Betriebe, die bauen, qualifiziert werden, damit sie später diesen Beruf weiterführen können.
SenGermany: Es geht also um die Integration von Flüchtlingen aus Westafrika in die senegalesische Gesellschaft und um ihre berufliche Qualifizierung. Das heißt, die Flüchtlinge werden in Baraka eine neue Heimat haben.
Bruno Braun: Ich denke, es gibt bereits für viele Flüchtlinge in Baraka keine Rückkehr mehr in die Heimat. Deswegen ist es wichtig, dass sie eine neue Heimat bekommen und Heimat besteht nicht nur aus Wohnen oder Kulturstädten sondern auch aus Arbeit.
SenGermany: Wo ist die nächste Station der Baraka-Ausstellung geplant?
Bruno Braun: Unser Wunsch ist in einem Museum in Dakar. Wir streben eine Kooperation zwischen dem Stadtmuseum Düsseldorf und einem Museum in Dakar an.
Herr Braun, herzlichen Dank für das Gespräch.
Das Interview führte Ibrahim Guèye
Ausstellung des Modellbaus vom Preisträger
Das Baraka-Projekt in ZahlenBaraka besteht aus einer Fläche von ca. 9000 qm mitten in der Stadt Dakar, die von einem Wohngebiet umgeben ist. Dort leben ca. 1.800 Flüchtlinge aus verschiedenen Ländern Westafrikas. 220 Wohnungen werden für die Slumbewohner gebaut. Der Bau soll Ende 2016 / Anfang 2017 beginnen und ca. zweieinhalb Jahre dauert. Neben den Wohnungen sind auch Geschäfte vorgesehen, damit die Bewohner lokale Produkte und Kunstgegenstände an die unmittelbaren Nachbarn und an Touristen anbieten können. Zum Projekt gehören auch Räumlichkeiten für die Ausbildung junger Bewohner in verschiedene Handwerksberufe sowie im IT-Bereich. Für die Werbung des Projektes wurden bereits drei junge Blogger vor Ort ausgebildet, die täglich über das Leben in Baraka und über die Entwicklung des Projektes berichten: https://barakadakar.wordpress.com
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