1. Teil des Interviews mit Dr. Reinhold Festge.
Am Tag „Africa meets Business“ in Berlin am 17. März 2015 haben wir mit Dr. Reinhold Festge, persönlich haftender Gesellschafter von Haver & Boecker und Präsident des Verbands Deutscher Maschinen und Anlagenbau (VDMA), gesprochen.
Wir haben uns für Ihr Unternehmen Haver & Boecker interessiert, weil wir den Videofilm über das 125. Jubiläum gesehen haben. In dem Film sagt eine Frau, dass Sie Drähte herstellen, die dünner als ein Haar sind.
Dr. Festge: Das ist nicht ganz richtig. Wir verarbeiten Drähte, die dünner sind als ein Haar. Sie sind ein halbes Haar dick. Das ist das Dünnste auf der Welt, das man als Draht herstellen kann. Es ist wichtig, dass man den Wert auf Drahtweberei legt, denn wir verweben nur Drähte. Wir sind berühmt und bekannt dafür, dass wir sehr feine Drähte verarbeiten und dass wir auch sehr feine Gewebe machen.
Ich habe auch in dem Film gesehen, dass Mikrofone stabiler geworden sind, seitdem Sie mit Sennheiser zusammenarbeiten. Anlass war Mick Jagger?
Dr. Festge: Ja, das ist eine ganz alte Geschichte mit Sennheiser und hat mit Mick Jagger von den Rolling Stones zu tun. Wenn er Konzerte zu seiner Blütezeit gab, zerdepperte Mick Jagger während des Konzerts etliche Mikrofone von Sennheiser, weil er sie auf die Erde knallte. Dann kam eines Tages Sennheiser zu Haver & Boecker und haben uns gesagt: „Das ist uns zu teuer, weil so viele Mikrofone zerstört werden, bitte stellen Sie eine Mikrofonkappe her, so dass das Mikrofon auf die Erde geschlagen werden kann und anschließend dem Künstler wieder in die Hand springt. Und es muss nach wie vor funktionieren, es darf nicht kaputtgehen und darf keine Beulen haben.“ Das haben wir gemacht. Das gehört zu unserem Knowhow.
Wann war das?
Dr. Festge: In den 70er/80er Jahren. Das war aber damals auch für uns eine interessante Story, und sie macht wieder deutlich, dass der deutsche Mittelstand seine besonderen Stärken in Nischen hat. Sie zeigt, wie der Mittelstand auf Sonderwünsche schnell eingehen kann.
Apropos Mittelstand, wie viele Mittarbeiter hat Ihr Unternehmen zurzeit?
Dr. Festge: Wir beschäftigen aktuell insgesamt 2.900 Mitarbeiter weltweit, wobei wir nur die Hälfte im Stammhaus in Oelde arbeiten, und die andere Hälfte ist über Tochtergesellschaften weltweit verteilt.
Und in der wievielten Generation ist das Unternehmen jetzt?
Dr. Festge: Meine Nachfolger, also meine Söhne, sind die 5. Generation. Ich war die 4. Generation.
Und jetzt von Oelde nach Afrika. Sie arbeiten seit 15 Jahren mit der Dangote-Gruppe in Afrika zusammen. Welche Maschinen liefern Sie?
Dr. Festge: Wir haben sehr viele Kunden in sehr vielen afrikanischen Ländern. Aber die Dangote-Gruppe ist im Moment der größte Kunde in Afrika und weltweit. Wir liefern für die Zementindustrie seit Anbeginn Packmaschinen. Das ist unsere Stärke. Wir wiegen den Zement und füllen ihn in Zementsäcke ab. Die Verkaufskette in Afrika ist wesentlich länger als in Deutschland, wo es vom Zementwerk direkt zur Baustelle geht. In Afrika geht es vom Zementwerk zum Großhändler und weiter zu verschiedenen Zwischenhändlern. Wir machen alles, was im Zementwerk nach der Mühle passiert. Von da ab kann Haver & Boecker liefern. Wir liefern für Zementanlagen von Dangote in Nigeria ebenso wie für sein neues Werk im Senegal die Packerei und die Verladung. Generell liefern wir auch sehr viele Terminale für den Export.
Photo: Dangote GroupHaben Sie die Maschinen, die im Senegal sind, dorthin direkt exportiert oder ging es über Dangote in Nigeria.
Dr. Festge: Der Kunde ist Dangote. Er bestellt die Zementwerke bei den Chinesen, und wir schließen Verträge mit den Chinesen, die das Zementwerk liefern. Wir stellen es dann dorthin.
Wie kann es denn sein, dass die deutschen Anlagenbauer keine Zementwerke mehr in die Entwicklungsländer liefern?
Dr. Festge: Das ist eine relativ einfache Erklärung. Sinoma ist ein chinesischer Staatskonzern. Dieser erschließt sich neue Märkte durch eine günstige Finanzierung. Die Chinesen sind von den Produktpreisen sehr günstig und haben im Vergleich zu uns unschlagbare Finanzierungsmöglichkeiten. In Deutschland hat sich der VDMA sehr bemüht, Verbesserungen bei den Hermes-Bürgschaften zu erreichen. Wir sind eine mittelständig organisierte Industrie. Wir können schlecht auf eigenes Risiko nach Afrika liefern. Es gibt Sprachprobleme, kulturelle Barriere etc.
Das gilt auch für die Chinesen…
Dr. Festge: Deswegen brauchen wir eine Flankierung durch eine Absicherung der Exporte. Dass sich die deutsche Politik damit schwertut, ist verständlich, wenn man weiß, dass viele afrikanische Staaten massive Schulden haben und Umschuldungsprojekte hatten. Deshalb ist die Politik in Deutschland zögerlich geworden. In China ist es nicht so. Das ärgert mich natürlich als deutschen Mittelständler. Deswegen wollen wir auch verschiedene Initiativen vom VDMA aus starten, weil wir der Meinung sind, wir müssten in Afrika stärker präsent sein. Schließlich haben wir in Afrika gute Freunde und gute Kunden, und wir bieten den Menschen in Afrika eine sehr gute Technik.
Das Interview führte Ibrahim Guèye
Der 2. Teil des Interviews wird am 4. Mai 2015 eingestellt.