Richard Clemens: „Ein absoluter Trugschluss ist, dass man glaubt, Afrika braucht einfache Maschinen oder gebrauchte Technik.“

Im Rahmen der Vorbereitung des 2. Deutsch-Senegalesischen Wirtschaftsgipfels vom 7. November 2014 in Düsseldorf werden wir Gespräche mit Fachleuten zu den Themen Food Processing und erneuerbaren Energien in In- und Ausland führen. Nach dem 1. Interview mit Herrn Werner M. Dornscheidt, Vorsitzender der Geschäftsführung Messe Düsseldorf, am 5. Juni 2014 haben wir Herrn Richard Clemens, VDMA-Geschäftsführer, Nahrungsmittelmaschinen und Verpackungsmaschinen, am 16. Juli in Frankfurt/M besucht.

Herr Clemens auf der interpack 2014 in Düsseldorf hatten Sie mir gesagt: „ wenn man mehr Sauberkeit in der Verpackungsindustrie haben will, sollte man weniger Menschen in der Produktion haben.“ Meinen Sie damit die menschenleere Fabrik?

Clemens: Wenn ich die Nahrungsmittelindustrie betrachte, dann sprechen wir letztendlich vom zentralen Thema der Hygiene oder der Kontamination der Nahrungsmittel oder der Getränke und ein Faktor, der sehr wichtig ist, ist der Mensch, der Überträger von Bakterien, Krankheiten oder von Schadstoffen für die Nahrungsmittel ist. Und da ist es sehr wichtig bestimmte hygienische Regeln einzuhalten. Denn nichts wäre schlimmer, wenn die Nahrungsmittel in den Supermärkten kontaminiert ankommen. Da ist nun mal der Mensch an einer Schlüsselstelle. Doch man kann schlecht sagen, je weniger Menschen da sind, desto besser ist es. Aber der Mensch ist ein sehr kritischer Faktor in dieser ganzen Prozesskette.

Deswegen haben Sie auch Roboter auf der Messe Interpack gezeigt?

Clemens: Das gehört zu den Gründen, warum wir Roboter gezeigt haben. Natürlich die menschleere Fabrik gibt es noch nicht. Es gibt inzwischen immer weniger Menschen in einem Nahrungsmittelbetrieb aber ganz ohne geht es nicht. Ich sage bewusst, das gibt es noch nicht. Es ist nicht das wünschenswerter aber Roboter sind etwas zuverlässiger und vor allem, was die Hygiene anbetrifft, kann man etwas leichter agieren. Aber Roboter haben einen anderen Zweck. Das kommt seit etwa 10 Jahren auch in der Verpackungsindustrie, dass wir mit der Steuerung und dem Design der Roboter soweit sind, dass wir eine hohe Qualität in der Verpackungsindustrie produzieren können. In vielen Bereichen sind Tätigkeiten nicht begehrenswert. Das muss man auch sagen für die Mitarbeiter. 

Meinen Sie damit die Eintönigkeit?

Clemens: Roboter helfen bei dem monotonen Geschäft. Warum soll ich jemanden 24 Stunden am Tag in einem Dreischichtbetrieb beschäftigen, um Flaschen in einen Kasten zu füllen. Das macht überhaupt keinen Sinn.

Helfen Roboter auch bei der Sauberkeit?

Clemens: Das ist sicherlich ein Thema an dem wir stark arbeiten. Ein Roboter, der sehr viele Gelenke und bewegliche Arme hat, kann die Hygiene hundertprozentig in den Griff zu bekommen. Die monotone Tätigkeit hat weniger mit der Thema Rationalisierung zu tun. Roboter können es viel genauer und zuverlässiger mit sehr viel mehr Ausdauer machen als Menschen.

Auf der Messe haben Sie auch gezeigt, wie Sensoren dafür sorgen können, dass man weiß, wann eine Maschine gereinigt werden soll.

Clemens: Das steckt noch in den Kinderschuhen. Es sind erste Entwicklungen gemacht worden. Ich will ja immer wissen, ob meine Reinigung einen Erfolg gehabt hat und in vielen Bereichen einer Maschine kann ich ja nicht reinsehen. Nehmen Sie eine Molkerei. Da reinige ich ja Rohre, Pumpen, Ventile und mache die Anlage nicht auf. Das nennt man CIP (cleaning in place). Also reinigen, ohne etwas auseinander zu bauen. Und da bräuchte ich ja eigentlich einen Sensor in der Maschine. Natürlich kann ich Spülwasser auf Mikrobiologie und andere Faktoren untersuchen aber ich bräuchte eigentlich überall Sensoren, die mir sagen, muss es gereinigt werden oder nicht. Da gibt es unterschiedliche Verfahren, aber das Thema ist insofern komplex, denn die Frage ist ja, was war vorher drin: Milch, Honig, Marmelade. Welche Flüssigkeiten sind drin gewesen. Wir sprechen ja eigentlich von organischen Stoffen und alles lässt sich unterschiedlich reinigen.

Wo ist es in Deutschland eingesetzt?

Clemens: Das wird noch an Universitäten erprobt. Sie müssen ja sehen, die Nahrungsmittelindustrie ist im positivem Sinne sehr zurückhalten, sehr konservativ. Nichts ist schlimmer als eine Technologie, die noch nicht ausgereift ist und dadurch möglicherweise Produkte kontaminiert werden. Dadurch mache ich ganze Chargen kaputt. Und vor allem das Image des Produktes und des Unternehmens ist in einem Schlag kaputt. Das ist aber die Zukunft. Wir wollen ja ganz präzise wissen, ist die Anlage sauber oder nicht. Es kommt vom Design der Anlage an. Also wir sprechen über das Thema Hygienic Design. Das heißt, wie baue ich eine Anlage insgesamt auf. Ist das Rohr glatt? Aber was ist denn schon glatt. Sind die Dichtungen vernünftig dimensioniert, können sie sich auch ausdehnen. Wenn ich sehr heiß spüle, dehnt sich die Dichtung aus. Wenn eine Dichtung sich ausdehnt und sich wieder zurückzieht, gibt es immer kleine Ecken. Da kann sich etwas festhaften. Hier beschäftigen sich weltweit wirklich ungefähr 1000 Experten.

In welchen Ländern?

Clemens: Deutschland, die Niederlande, Großbritannien und die USA sind sicherlich führend. Wir sprechen darüber, wie ich eine Oberfläche bearbeite, schleife ich oder elektropoliere ich sie. Wir sprechen wirklich von einzelnen Zellen, die hängen bleiben. Hier gibt es das Modell einer Hefezelle. Wo bleibt sie hängen. Sie müssen sich ja vorstellen, wenn Sie unter einem Mikroskop eine Oberfläche ansehen, dann hat sie Zacken und in diese Täler fällt dann zum Beispiel eine Hefezelle. Wie bekomme ich sie raus. Natürlich durch extrem aggressive Mittel bekommen sie sie immer raus. Aber durch extrem aggressive Mittel kostet es vielleicht eine dieser Dichtungen, die kaputtgehen. Sie beschädigen vielleicht alles, wenn sie extrem hohe Temperaturen fahren. Was wiederum auch den Dichtungen nicht gut tut. Sie bekommen sie vielleicht weg, wenn sie sehr lange reinigen oder mit sehr scharfen Mitteln reinigen, aber dann haben Sie wieder das Entsorgungsproblem, denn Sie wollen ja sehr kurz reinigen und sehr zuverlässig. 

Wann könnten die Erprobungen bei Firmen eingesetzt?

Clemens: Fünf bis zehn Jahre. Aber es wird uns immer noch nicht entbinden Stichproben zu machen. Das muss sein. Was wir jetzt schon kennen und können sind die sogenannten Sniffer (Schnüffler) für die Flaschen. Sie riechen in die Flaschen, ob da noch etwas übrig geblieben ist. Sensoren sehen sich an, ob eine Glasflasche einen Sprung hat oder nicht. Das ist durch Bilderkennung aber im Prinzip das menschliche Organ können wir nicht ersetzen. Und eine Anlage ist so komplex. Sie haben ja in so einer großen Anlage dutzende von Pumpen, von Ventilen, Winkeln und Ecken. Und letztendlich bauen wir sehr viel mit Erfahrung, so dass die Menschen diese Anlagen betreiben oder die sie gebaut haben, bestimmte Erfahrungswerte haben und sagen: „das muss man tun. Die Erfahrung habe ich damit.“

Zehn Jahre sind eine lange Zeit. Das ist ein Kostenfaktor. Wer fördert das Ganze?

Clemens: Die Industrie ist sehr stark dahinter, um hier auch wirklich in den kleinsten Details bestimmte Lösungen zu finden. Die Universitäten sind auch dahinter aber im Auftrag der Industrie, denn das Ganze ist für die Industrie oder den Betreiber ein Kostenfaktor. Er möchte kurz und effektiv reinigen, denn Reinigungszeit heißt, ich kann nicht produzieren. Oder das ist Sondermüll, wenn Sie so wollen. 

Gibt es denn eine Förderung vom Land, Bund oder der EU?

Clemens: Ja natürlich in den ganzen Forschungsprogrammen für die Ernährungsindustrie spielt das Thema Food Security immer eine Rolle. Aber speziell darauf ausgerichtete Förderprogramme gibt es nicht. Indirekt wird es immer wieder gefördert, denn es um kleine Details geht. Ein kleines Detail kann zum Beispiel ein Rührwerk sein. Sie müssen sich vorstellen, was ein Rührwerk ist. Ein großer Behälter und da drin ist etwas, was rührt. Wie bekomme ich das sauber? Das haben wir auf der Interpack gezeigt. Da ich das ganze mit einem Bogen reinige, der rumläuft. Also es ist schon eine Heikle Geschichte. Der Teufel steckt im Detail. Wie gesagt, klingt auf dem ersten Blick einfach, dann wenn man sich das Ganze näher ansieht, ist es sehr komplex. 

Der VDMA ist Mitglied der Deutschen Initiative zur Ernährungssicherung und die erste Veranstaltung hatte am 8. November 2012 stattgefunden. Der erste DIAE-Afrikaprojektworkshop fand unter der Schirmherrschaft der GIZ vom 23. bis zum 25. Oktober 2012 in Lusaka, Sambia statt. Können Sie uns, was dazu sagen?

Clemens: In Lusaka war meine Kollegin Frau Klaus. Was wollen wir eigentlich dort? Die deutsche Bundesregierung hat German Food Partnership gegründet, um erstmalig die ganze Wertschöpfungskette abzubilden. Also nicht nur das Thema Landwirtschaft zu nehmen sondern die Weiterverarbeitung und dafür stehen wir. Das war der erste Punkt und der zweite Punkt ist hier Projekte in der gesamten Wertschöpfungskette abgebildet werden sollten. Es sollten auch sogenannte Business-Modelle auf die Beine gestellt werden. Business-Modelle insofern, dass hier doch ein Wandel in der deutschen Entwicklungshilfepolitik stattfand, der sagt, es ist sehr viel besser den Menschen die Möglichkeit auch zu geben, Geld mit den Projekten zu verdienen vor Ort. Der neue Bundesentwicklungsminister Dr. Müller hat zehn plus eins grüne Innovationszentren ins Leben gerufen. 10 plus 1 deswegen. 10 in Afrika und mittlerweile ist ein 11. dazu gekommen und das soll in Indien stattfinden. 

Es wurden bis jetzt Indien und neun afrikanische Länder genannt: Äthiopien, Kenia, Ghana, Tunesien stehen fast fest. Optional gibt es noch Mali, Côte d’Ivoire, Mosambik und Tansania. Das 10. Innovationszentrum könnte im Senegal gebaut werden.

Clemens: Es ist eine sogenannte Sondereinheit in diesem Bereich, für diese 10 plus eins Sonderprojekte gegründet worden. Es ist ja immer ein Kompromiss. Die Bundesregierung hat ihre Vorstellungen und die Industrie versucht das irgendwie auch als Kompromiss darzustellen und das sitzen sehr unterschiedliche Industrievertreter.

Zum Beispiel?

Clemens: Das ganze Thema Düngemittel, Saatgut und die Landtechnik sitzt auch mit am Tisch. Als Maschinen und Anlagenbauerverband sind wir auch dabei.  Das sind das letzte Mal ungefähr 30 Vertreter gewesen und diese haben unterschiedliche Interessen. Das muss man klar sagen. Natürlich richte ich mich mit meinen Firmen danach, wie groß sind oder wie potent sind solche Märkte. Und wir haben uns eigentlich auf ein Land zurückgezogen: Das ist Kenia. Das ist etwas größer. Das hat aber auch Kapazitätsgründe. Ich habe mich aber auch in Indien beworben mittlerweile und würde mich, wenn entsprechende Partnerschaften da sind, durchaus auch für Ghana und Senegal interessieren. Das ist aber auch eine Frage der Manpower gebe ich ganz ehrlich zu. Von uns aus und eine Frage verzetteln wir uns. Wir stehen, was die Märkte in Afrika anbetrifft, ich lasse erstmal Maghreb und Südafrika weg, eigentlich auch sehr stark am Anfang. 

Sie haben von Partnerschaften gesprochen. Wie sollte die Partnerschaft aussehen?

Clemens: Wir fangen ja eigentlich sehr klein an, dass wir uns bestimmte Länder ansehen. Erstmal Marktrecherchen in Deutschland machen. Das ist letztendlich ein kleiner Start. Dann fangen wir in den Ländern an. Wir waren in Kenia und Nigeria. In Nigeria haben wir vor kurzem und mit Firmenchefs gesprochen. Haben uns das Unternehmen angesehen, um zu versuchen in sehr kurzer Zeit einen kleinen Überblick zu bekommen. Wir stoßen immer auf das Thema Ausbildung. Das gilt für Kenia und Nigeria, ich nehme an für andere Länder ist es ähnlich. Im Management sind die meisten Länder sehr gut aufgestellt. Aber es fehlt der Mittelbau, den wir in Deutschland haben. Also Menschen, die sich mit der Technik sehr gut auskennen, die in der Lage sind, Service zu bieten, kleine Reparaturen vorzunehmen. Wir versuchen hier gemeinsam mit einer Schule, mit einer Universität zu kooperieren auch Technik zur Verfügung stellen und Trainer trainieren in Deutschland oder vor Ort. 

Können Sie sich die Messe Made in Germany 2015 im Rahmen der Messe FIDAK in Dakar als Unterstützung für diese deutsche Initiative zur Ernährungssicherheit vorstellen. Ist es für Sie auch ein Termin, der in Frage kommen könnte für die Anbahnung von Partnerschaften im Senegal?

Clemens: Mit Sicherheit aber das ist auch für uns interessant dieses Thema reinzutragen, dass sie durch Technik und angepasste Technologie die Nahrungsmittelverschwendung sehr stark reduzieren kann. Und wir haben die Technik. Natürlich Europäer und Amerikaner haben auch die Technik aber hier einfach mal zu zeigen, dass die Technik, die ja manchmal in Deutschland in die Ecke geschoben wird, verteufelt wird, hier einen sehr wertvollen Beitrag leisten kann. 

Sie sind am 7. November 2014 anlässlich des 2. Deutsch-Senegalesischen Wirtschaftsgipfels in Düsseldorf eingeladen worden. Worüber werden Sie referieren.

Clemens: Ich habe ja schon zugesagt und kann Ihnen sehr viel zu dieser Wertschöpfungskette erzählen. Ich kann Ihnen erzählen, welche Technologien es gibt. Ich kann das Thema Hygiene sehr stark beleuchten. Die Problemstellungen, die man von der Bildung bis zur endgültigen Auswahl des Verpackungsmittels hat. Auch das Thema Schulung, die wir uns wünschen und wie wir uns eine Zusammenarbeit vorstellen. Und vielleicht darf ich noch eins ganz klar sagen, wenn wir über diese Märkte sprechen. Ein absoluter Trugschluss ist, dass man glaubt, Afrika braucht einfache Maschinen oder gebrauchte Technik. Das ist Blödsinn. Wir nennen es angepasste Technik.  Es kann das Beste vom Besten sein, hochmoderne Technologie oder aber vergleichsweise einfach zu handhaben, denn Technologie hängt vom Kunden ab. 

Herr Clemens herzlichen Dank für das Interview.

Das Interview führte Ibrahim Guèye

 

Der VDMA in Zahlen

Der VDMA vertritt über 3.100 vorrangig mittelständische Mitgliedsunternehmen der Investitionsgüterindustrie und ist damit einer der mitgliederstärksten und bedeutendsten Industrieverbände in Europa.

Der Maschinen- und Anlagenbau ist eine Schlüsseltechnologie und der Motor für die Wirtschaft. Mit einem Umsatz von 205,8 Milliarden Euro (2013) und 986.000 Beschäftigten (2013) im Inland ist die Branche größter industrieller Arbeitgeber und einer der führenden deutschen Industriezweige insgesamt. Die Produkte und Dienstleistungen des Maschinen- und Anlagenbaus genießen weltweit hohes Ansehen. Rund zwei Drittel der deutschen Produktion gehen in den Export.

Im VDMA bildet sich die gesamte Prozesskette ab - von der Komponente bis zur Anlage, vom Systemlieferanten über den Systemintegrator bis zum Dienstleister. Wir spiegeln die vielfältigen Kunden-Lieferanten-Beziehungen entlang der Wertschöpfungskette wider und ermöglichen eine branchenspezifische wie übergreifende Zusammenarbeit.

 

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